Sie gewinnen im B2B Vertrieb nur als Mannschaft
Es ist ein später Donnerstagnachmittag. Ich bin in Potsdam und halte einen Vortrag auf dem Kongress eines europäischen Verbandes.
Ich bin richtig „auf Temperatur“ und rufe deutlich ins Publikum:
„Der Vertrieb ist der entscheidende Bereich in jedem Unternehmen!“
Danach schweige ich für etwa 10 Sekunden. In dieser Zeit sehe ich in vielen Mienen der Zuhörer intensive Zustimmung, wohlwollendes Nicken. Einige schütteln jedoch verstört den Kopf.
„Der Vertrieb ist der entscheidende Bereich im Unternehmen“ ist immer eine emotionsauslösende These. Denn wenn ich nicht gerade ausschließlich vor und zu Vertriebschefs und Verkäufern spreche, werden jetzt von Vertretern anderer Bereiche im Unternehmen zumindest gedanklich Tomaten und Eier auf mich geworfen.
Doch den gedanklichen Unkenrufern halte ich entgegen: Aufgepasst! Ich rede nicht von wichtigen oder unwichtigen Bereichen, ich rede vom entscheidenden Bereich. Jede Abteilung hat eine hohe Bedeutung und Wertigkeit hat. Freilich – aus Perspektive des Vertriebs könnte man so manches Mal auf die nüchternen Zahlenakrobaten aus dem Controlling verzichten, aber auch diese Fraktion ist wichtig. Jedoch: der Vertrieb ist und bleibt die entscheidende Abteilung, denn dort entscheidet der Kunde, ob Ihr Unternehmen Marktführer, Mittelmaß oder marode ist.
Schauen Sie sich die Produkte Ihrer Konkurrenten einmal in Ruhe an. Wenn Sie sich mit den Mitbewerbern, die in Ihrer „Liga“ spielen, vergleichen und wenn Sie gleichzeitig die übliche Marketing-Maskerade beiseitelassen, sind dann in der Breite Ihres Portfolios noch veritable Unterschiede zu erkennen?
Oder ist es nicht eher so, dass die Unterschiede häufig nicht essenziell sind? Und wenn Sie die Website Ihrer Firma mit der Ihrer Konkurrenten vergleichen: Kann der Kunde nennenswerte Unterschiede erkennen? Oftmals preisen Unternehmen auf der eigenen Website an, dass sie besonders innovativ, kundenorientiert, qualitativ hochwertig agieren und absolut zuverlässig seien. Dass die Firma sich voll und ganz auf den Kunden konzentriert und Kundenzufriedenheit an erster Stelle steht. Dass der „Kunde im Mittelpunkt steht“. Dass der Mensch im Mittelpunkt steht haben sich die Kannibalen auch schon gedacht – das ist nichts Neues und war für den Protagonisten keine erstrebenswerte Erfahrung!
Also kommt es im B2B Vertrieb auf denjenigen (m/w/d) an, der Ihre Firma beim Kunden repräsentiert und diese Person benötigt volle Rückendeckung aus Ihrem Unternehmen – von jedem!
Die Realität in Unternehmen ist allerdings häufig eine andere. Im Mittelpunkt steht oftmals, dass die Prozesse der eigenen Abteilung sauber ablaufen und nicht gestört werden. Der Vertrieb ist dort manches Mal das Enfant terrible, welches intern nur für Unruhe sorgt. Das Arbeitsleben könnte ja ach so schön sein, wenn nicht ständig der Vertrieb oder der Kunde stören würde. Wie häufig höre ich von Vertriebschefs oder Verkäufern, dass man immer zweimal verkaufen muss. Einmal extern beim Kunden, in diesem Kampf wird der Mitbewerb geschlagen. Der größere Kampf folgt häufig auf dem Fuße – das Überzeugen der internen Abteilungen.
„Schuldige für interne Prozessprobleme zu finden und zu kompromittieren hat selten etwas gebracht – außer das innerbetriebliche gegenseitige argumentative Wettrüsten.“
Meine Lösung für dieses Problem: Trommeln Sie die Abteilungschefs und operative Meinungsbildner aus den Bereichen zusammen, mit denen es immer wieder knirscht. Entwickeln Sie die Vertriebsstrategie gemeinsam und nicht als „Ab-teilung“ Vertrieb alleine.
In diesen Zusammenkünften legen Sie fest,
- was Ihre Firma derzeit herausragend gut macht.
- welchen Nutzen Sie Ihren Kunden heute bringen (in Form von: Sie ermöglichen Ihren Kunden mehr Umsatz zu generieren, Kosten oder Zeit zu sparen, die eigene Reputation zu steigern, mehr Sicherheit zu spüren oder Prozesse einfacher zu machen).
- welche Zielgruppen Sie wie akquirieren möchten.
Auch wenn es sich zunächst seltsam anhört, stellen Sie die Frage, was geradezu an ein Wunder grenzen würde, wenn Sie das mit Ihrer Firma als Mannschaft, die zusammensteht, bis 2025 erreichen würden. Was wäre möglich, wenn die drei größten internen Prozessblockaden gelöst werden? Welche genau sind diese und welche drei wichtigsten Maßnahmen helfen, um diese Blockaden zu lösen? Weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass das Ziel nicht ist, gegenseitige Schuldzuweisungen rhetorisch brillant vorzutragen, sondern sachliche Konflikte aufzudecken und zusammen Lösungen zu erarbeiten. Das klingt banal und offensichtlich, die Erfahrung zeigt: Wird es explizit nochmals formuliert, verringert sich das „Ab-teilungsdenken“ und die Menschen entfliehen eher ihren verbalen Schützengräben, um Lösungen zu finden.
Die Antworten auf diese Fragen lassen Sie von jedem Teilnehmer zunächst aufschreiben, dann erst vortragen. So vermeiden Sie, dass Ideen direkt nach der Äußerung von anderen Teilnehmern als „nicht darstellbar“ abgetan werden und auch die Introvertierten ihre häufig guten Ideen beitragen.
„Sagt jemand, Ihre Idee sei „so nicht darstellbar“, antworten Sie: „Das soll auch kein Theaterstück werden.“
Im weiteren Verlauf stellen Sie aus Perspektive des Vertriebs dar: welche drei wichtigsten Punkte intern auf jeden Fall einwandfrei funktionieren müssen, damit Sie beim Kunden reüssieren.
Dann erfragen Sie, welche drei Punkte den anderen Bereichen in der Zusammenarbeit mit dem Vertrieb wichtig sind und welche Informationen sie benötigen, um die Anforderungen aus dem Vertrieb gut umzusetzen. Nicht selten ist es der Fall, dass dem Vertrieb gar nicht erst geholfen werden kann, da die zur Verfügung gestellten Informationen schlichtweg nicht ausreichend sind.
Die Strategie (bestenfalls auf einer einzigen Seite dargestellt) und die gegenseitig drei wichtigsten Punkte in der Zusammenarbeit verschriftlichen Sie und lassen sie von den Teilnehmern unterschreiben. Das erhöht die Verbindlichkeit jedes Einzelnen, sich auch nachher an die Vereinbarung zu halten.
Wenn Sie dann aus der Strategie auch noch eine lebendige Zukunftsstory machen, also zum Beispiel darstellen, was eine renommierte Zeitung in 5 Jahren über Ihr Unternehmen berichten soll, dann aktivieren Sie Vertriebskraft – und zwar nicht nur im Vertrieb.
Richten Sie für ein halbes Jahr einen Jour Fixe alle 3-4 Wochen ein, indem die Teilnehmer des Workshops den Fortschritt darstellen. Feiern Sie Erfolge.
Wenn Ihnen der Artikel etwas gebracht hat, dann freue ich mich über jede Form der Anerkennung beispielweise über das Weiterleiten an jemanden, den Sie damit inspirieren möchten.
Aktivierende Grüße
Stephan Kober
Über Stephan Kober
Als mehrfach ausgezeichneter Keynote Speaker, Autor und Trainer trete ich für höhere Effizienz und mehr Freude im Vertrieb an. Meine Kunden sind Kongressveranstalter, Mittelständler, Weltmarktführer sowie TecDAX-Unternehmen.
Ich schreibe Bücher, halte Vorträge, trainiere Mitarbeiter sowie Führungskräfte im Vertrieb und bin Silber-Preisträger des Europäischen Preises für Training, Beratung und Coaching 2015/2016 (BDVT).
Als Wirtschaftsdiplom Betriebswirt (VWA) habe ich an der University of Surrey den Titel „Master of Business Administration“ erlangt.
In zwei Dekaden habe ich alle Positionen vom Außendienst-Verkäufer bis zur Führungskraft mit Verantwortung für neunstellige Umsätze in allen Höhen und Tiefen miterlebt. All das mündet nun in wissenschaftlich fundierten und gleichzeitig praxiserprobten Wegen, um „Vertriebskraft“ zu aktivieren und Kunden ehrlich zu gewinnen.
In meiner Freizeit bin ich auf der Position des „Angriffstruppführers“ bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Das spüren meine Zuhörer und Leser: Was ich ehrenamtlich lösche, entzünde ich auf der Bühne und im Vertrieb: Feuer!